optimiert für: ie8 dsl 1280 x 1024
aktualisiert: 31.01.2012 © 2001-2012 Gottfried Krieger
| Literaturprojekt Film
Jenseits der Pein Xenia Baumann Arbeitstitel: Rastlos ‚Ein Spaziergang durch den Park hat nichts Spannendes’, denkt sich Jade und läuft langsam den Weg entlang, den man vor lauter Laub fast nicht mehr sieht. Schon seit Tagen ist ihr flau im Magen und sie fühlt sich oft beobachtet. Fast wie in Trance setzt Jade einen Fuß vor den anderen. Die Tage sind nun kühler, aber sie lässt den Herbst noch immer nicht in ihr Herz. Sie zieht ihre Jacke enger und bleibt stehen. Manche hasten an ihr vorbei, andere gehen gemütlich mit ihren Hunden spazieren. ‚Die Umgebung ist fast idyllisch’, denkt sie sich, als der Wind ihr plötzlich kalt ins Gesicht schlägt. Ein fast unhörbares Summen beginnt die Luft zu erfüllen und Jade nimmt die Menschen und Bäume um sich herum nur noch verschwommen wahr. Sie steht da wie eine Salzsäule, kann und will sich vor starrer Angst nicht bewegen. Eine schnelle Bewegung, die sie im Augenwinkel wahrnimmt lässt sie den Kopf zur Seite drehen, doch das Summen wird unerträglich und sie verharrt in ihrer Position. Stimmen binden sich ein, doch Jade versteht kein Wort. Es flüstert und schreit gleichzeitig um sie herum. Eine Stimme beginnt deutlicher zu werden, als Jade fast die Nerven verliert. Sie horcht auf. „No...“ ‚No?’ schreit sie innerlich, ‚Warum no? Nein? Oh mein Gott, was soll das?’ Sie läuft los, ohne ein Ziel, bloß weg von diesem Lärm, diesem unerträglichen Lärm. An der Straße angekommen merkt sie jedoch, dass sie gar nicht vor dem Lärm weglaufen kann. Er umgibt sie wie eine Vakuumkugel. Sie hyperventiliert, sucht die Gegend stumm Hilfe schreiend nach Menschen ab, doch es ist niemand da. Die Straße ist wie ausgestorben. Jade vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen. ‚Völlig unmöglich!’ denkt sie und verzweifelt fast. Eine Frau, völlig zerzaust und blass, wankt von hinten auf Jade zu. Die Frau guckt hoch und gibt ein völlig zernarbtes Gesicht frei. Nur noch wenige Meter trennen sie von der schluchzenden Jade. Sie wankt immer weiter auf sie zu, streckt langsam die Hand nach ihr aus, als die Stimme deutlich wird. „Norah!“ haucht sie in Jades Ohr. Im gleichen Moment berührt die Frau sie am Schulterblatt. Sie wird herumgerissen und blickt in die erschreckten Augen einer kleinen Frau mit Hut. Die Geräusche der Umgebung kehren mit einem Schlag wieder zurück, das Summen verhallt. Autos fahren weiter, Menschen laufen ruhig ihren Weg entlang. Als wäre nie etwas gewesen. Die Frau blickt erschreckt um sich. Jade presst eine kurze Entschuldigung heraus und läuft weg. Sie will nur noch nach Hause. In ihrer kleinen Wohnung, die sie sich mit Dawn, einer Freundin aus dem College teilt, schließt sie die Tür schleunigst hinter sich und setzt sich aufs Bett. „Was zum Teufel...“ fängt sie an, als Dawn in ihr Zimmer kommt, sich ein Buch nimmt und beim hinausgehen „Was für eine Unordnung.“ murmelt. „Was zum Teufel...“ sagt sie lauter und geht Dawn nach, doch diese hat die Wohnung schon verlassen. ‚Danke’, denkt sie verbittert. ‚als wenn dein Zimmer sauberer ist!’ Sie geht auf Dawns Zimmertür zu und erwartet, dass die Tür wie immer verschlossen ist, als sie die Klinke herunterdrückt, doch die Tür öffnet sich. Jades erster Gedanke: ‚Sie lässt Kerzen brennen, während sie weg ist?!’ Doch dann kriegt sie kein Laut heraus. Noch nie hatte sie Dawns Zimmer betreten und jetzt weiß sie auch warum! Nicht ein Lichtstrahl dringt in dieses schwarze Loch. Vereinzelte Kerzen stehen brennend auf den Regalen und bringen mit ihrem flackernden Schein ein unheimliches Bild zum Vorschein. Ein Altar, auf dem sich Totenköpfe und umgedrehte Kreuze befinden, steht mitten im Zimmer. Jade schreckt zurück und schließt schnell die Tür. Sie stolpert und lehnt sich voller Schuldgefühle an die Wand. Wäre sie doch nur nicht so neugierig gewesen. Sie dreht sich um und erstarrt, als sie eine Gestalt in ihrem Türbogen stehen sieht. Sie presst sich wieder gegen die Wand, als die Gestalt auf sie zuwankt. Es ist die Frau aus dem Park, doch davon hat Jade natürlich keine Ahnung, denn sie hat sie gar nicht bemerkt. Auch nicht, als die Frau sie berührt hat, während sie ihr ‚Norah’ ins Ohr flüsterte. Jade weiß vor Angst nicht ein noch aus. Soll sie rennen, soll sie schreien, oder soll sie versuchen die Gestalt anzusprechen. Die zerzausten Haare der Frau bedecken ihr Gesicht, so dass Jade nichts davon erkennen kann. Als die Frau in der Mitte des Flures stehen bleibt, macht Jade keine Anstalten wegzulaufen. Das Summen, das sie schon im Park so gequält hat, ist mit einem Schlag wieder da. Sie kann sich kaum rühren und tut sie es doch, wird das Summen noch unerträglicher und bereitet ihr gar Schmerzen. Sie starrt die Gestalt fassungslos an, als diese ihren Kopf hebt und sie mit leeren Augen betrachtet. „Norah!“ gibt die Frau gurgelnd von sich. „Ich…ich bin nicht…“ versucht Jade zu sagen, als die Frau sie mit einem Zischen unterbricht. „Norah…“ flüstert die Frau, während sie sich wieder in Bewegung setzt, was ihr sichtlich schwer fällt. Sie streckt den Arm nach Jade aus, während sie grinsend die Augen verdreht. Jade ist ganz erstarrt und hält die Luft an. Das Summen wird immer lauter und bereitet Jade mittlerweile unglaubliche Schmerzen. Als es knallt, denkt Jade, es wäre ihr Trommelfell gewesen, doch mit diesem Knall sind das Summen sowie die Frau verschwunden. Sie steht da und kann nicht glauben was passiert ist. Sie hatte nie an Übernatürliches geglaubt, doch dieses Erlebnis wirft ihre gesamten Vorstellungen in ein schwarzes Loch. Sie packt ihre Sachen zusammen und macht sich auf den Weg zum Campus. Was soll sie sonst tun, allein in der Wohnung bleibt sie auf keinen Fall. Als Jade in der Bibliothek ankommt, überlegt sie sich eine Alternative, aber ein bisschen in Büchern rumzustöbern ist die einzige Möglichkeit sich abzulenken. Nachdem sie sich einige Bücher über die Französische Revolution zusammengesucht hat, setzt sie sich hin und fängt an zu blättern. Sie interessiert sich schon seit der Highschool dafür und kann nicht genug davon kriegen. Was Napoleon und Josephine für ein Leben führten, wie die Adligen ihr Gut verloren und all das Zwischenmenschliche hatte sie schon immer daran angezogen. Als sie ein interessantes Bild von Napoleon und Josephine in einem Garten betrachtet, hört sie eine vertraute Stimme. ‚Dawn!’ denkt sie schuldbewusst. Ob sie ihr von ihrer Entdeckung erzählen sollte? Sie wird erst einmal ‚Hallo’ sagen gehen, dann wird sie sehen. Als sie an einigen Bücherregalen vorbeigeht, sieht sie im Augenwinkel die Frau am Ende des Ganges stehen. Eine kalte Angst packt sie, doch als sie wieder in den Gang blickt, ist dieser leer. „…Norah…“ hört sie Dawn sagen und spitzt die Ohren. ‚Wer zum Teufel ist Norah?’ fragt sie sich ungeduldig und schleicht sich näher an Dawn ran. Als nur noch ein Bücherregal die beiden Mädchen trennt, hört sie Dawn laut und deutlich. „Hör zu, ich will die Geschichte auch so schnell wie möglich vergessen, aber ich hab so ein komisches Gefühl dabei. Vor allem hat das Tarot…“ „Hör mir auf mit deinem Tarot!“ ‚Das ist Seth!’ stellt Jade überrascht fest. ‚Warum reden sie denn in der Bibliothek, warum sind sie nicht in unserer Wohnung?’ Seth ist Dawns Freund, der für solche Dinge wie Kartenlesen und Pendelschwenken nichts übrig hat. Er ist Realist, deswegen versteht Jade sich so gut mit ihm. „Ich fass es einfach nicht, wie konntest du das tun?“ fragt Seth fassungslos und wird dabei ein bisschen laut. Dawn macht ihn mit einem „Psscht!“ darauf aufmerksam. „Ich spreche nicht leiser, verdammt noch mal! Ich hätte nie gedacht, dass du deine Spinnereien verwirklichst, Norah!“ ‚Norah? Das ist doch…’ Jade schleicht um das Regal herum und guckt um die Ecke. Sie dreht sich erschreckt wieder um. ‚Das ist Dawn! Warum nennt er sie Norah?’ Jade ist verwirrt und geht zurück auf die andere Seite des Regals. ‚Ganz oder gar nicht!’ denkst sie sich und lauscht angestrengt weiter. „…unglaublich! Ich kann das nicht Norah, ich weiß nicht was…“ „Du machst doch nicht etwa Schluss?!“ schreit Dawn jetzt und ein paar andere Besucher drehen sich Stirn runzelnd nach den beiden um. „Ich muss nachdenken, verstehst du? Das ist mir zu viel!“ sagt Seth ruhig. „Ich kann mit einer Mörderin nicht zusammen sein!“ ‚Mörderin?!’ schießt es Jade durch den Kopf. ‚Dawn ist eine Mörderin?!’ „Ich bin keine Mörderin!“ zischt Dawn. „Das war ein Befehl, verstehst du? Die Zeit war gekommen! Sie war bereit!“ „Bereit wozu?!“ fragt Seth ungläubig. „Du bist doch verrückt!“ Als er mit diesen Worten an Jade vorbeizischt bleibt sie ganz ruhig. Dawn bleibt stehen und murmelt unverständliches Zeug vor sich hin. ‚Was ist bloß los mit dieser Welt?’ denkt Jade verzweifelt als sie plötzlich bemerkt, dass jemand in ihrem Gang steht. Es ist Dawn. ‚Jetzt ist es vorbei!’ denkt sich Jade und starrt Dawn an. Diese wendet den Blick wieder ab und geht weiter. „Warte Dawn!“ ruft Jade und rennt hinterher, aber sie ist schon aus der Tür und steigt gerade in ihr Auto. Jade könnte schreien vor Verzweiflung. Sie packt ihre Sachen zusammen, gibt die Bücher zurück und tritt in die kühle Herbstluft hinaus. Als sie unentschieden nach links geht, sieht sie Seth am Ende der Straße. Er läuft wieder in die Richtung der Bibliothek. ‚Vielleicht will er doch wieder mit Dawn sprechen.’ denkt Jade und läuft auf ihn zu. Wenige Meter vor ihr bleibt Seth mit gesenktem Kopf stehen. „Jade…?“ flüstert er und guckt um sich. „Ja?“ fragt sie ungläubig und versucht seinen Blick zu fangen. „Oh Gott Jade…“ stöhnt er leise vor sich hin und dreht wieder um. „Seth! Warte doch!“ ruft sie, doch er geht weiter. „Was zum Henker ist eigentlich los mit euch?“ schreit sie ihm nach, doch er reagiert nicht. „Verdammt!“ Sie stampft wütend auf. Als sie sich umdreht, beginn das Summen die Luft von neuem zu erfüllen. „Nicht schon wieder!“ winselt sie und krümmt sich ein wenig zusammen. Die Frau taucht hinter ihr auf. „Norah…“ flüstert sie. „Was willst du, verdammt noch mal?“ schreit Jade sie an. „Hör zu…“ haucht sie ihr Ohr und ist gar nicht mehr mit den Augen zu fixieren, weil sie sich schnell um Jade bewegt. „Dawn ist Norah im Jenseits.“ Sie huscht weiter um die verwirrte Jade, die vor Schmerz fast zu Boden geht. „Norah hatte einen Auftrag. Der Smaragd der Pein.“ ‚Smaragd? Dawn gab mir erst gestern einen Smaragd. Ich sollte ihn an einer Schnur am Rücken tragen. So bringt er Glück, hatte sie gesagt.’ „Nein.“ flüsterte die Frau Jade zu. „Der Smaragd der Pein gab mir das Zeichen.“ „Ich verstehe kein Wort von dem was du sagst!“ schreit Jade ungeduldig. „Verdammt, es tut weh!“ „Du bist tot, Jade!“ Mit einem Mal war das Summen weg. Jade stand auf der Straße und die gesamte Geschichte lief im Schnelldurchlauf vor ihren Augen ab. ~ Dawn beim Kartenlegen … Dawn gibt Jade den Smaragd … die Frau hinter Jade im Park, wie sie den Smaragd der Pein berührt … Jades Seele entweicht ihrem Körper … Jades lebloser Körper liegt auf der Straße, die Menschen laufen zusammen und die kleine Frau mit dem Hut ruft panisch um Hilfe … Dawns Zufriedenheit auf dem Weg zur Bibliothek … Dawns Wut als sie die Bibliothek wieder verlässt ~ Alles verschwimmt vor ihren Augen, als Jade begreift, dass sie tot ist. Opfer eines kranken Rituals. Sie lässt sich fallen und reißt die Augen ein letztes Mal voller Schrecken auf. ‚Seth!’ |